• Ausstellung »Wir waren Nachbarn«
Im Rathaus Schöneberg erinnert die Ausstellungsinstallation »Wir waren Nachbarn« an ehemalige jüdische Einwohner des Bezirks, die während der Zeit des Nationalsozialismus aus ihrer Heimat vertrieben oder ermordet wurden.
Bild:Berlin-Schöneberg, 1908, Viktoria-Luise-Platz, gemeinfrei
Berlin-Schöneberg, 1908, Viktoria-Luise-Platz, gemeinfrei

Bild:Berlin-Schöneberg, 2015, Blick in die Ausstellung, Thilo Rückeis
Berlin-Schöneberg, 2015, Blick in die Ausstellung, Thilo Rückeis
Nach der Reichsgründung 1871 wuchs die Hauptstadt Berlin rasant und dehnte sich immer weiter in ihre Umgebung aus. Innerhalb weniger Jahrzehnte wuchs Schöneberg in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von einem kleinen Dorf zu einem dicht besiedelten und modernen Vorort Berlins heran. Es entstanden neue, planmäßig angelegte Viertel für ein wohlhabendes, bürgerliches Klientel. Zu den wichtigsten neuen Wahrzeichen Schönebergs zählten die U-Bahn, das Schöneberger Rathaus und der Sportpalast. Auch viele Juden zogen in der Gründerzeit nach Schöneberg, vor allem bürgerliche Familien. Eines ihrer beliebtesten Wohngegenden war das großbürgerliche Bayerische Viertel, das umgangssprachlich auch »jüdische Schweiz« genannt wurde und in dem viele Prominente Künstler, Wissenschaftler und Kaufleute lebten.
1920 wurde Schöneberg zu einem Bezirk Groß-Berlins. Beim Machtantritt der Nationalsozialisten wohnten etwa 16.000 Juden in Schöneberg, was einem Anteil von etwas mehr als 7% der Gesamtbevölkerung entsprach. Ihr Leben änderte sich nun schlagartig. Die Nationalsozialisten begannen, Juden aus dem gesellschaftlichen Leben schrittweise auszugrenzen: Berufsverbote und diskriminierende Verordnungen machten ein geregeltes Leben unmöglich. Bei den Pogromen im November 1938 zerstörten Nationalsozialisten und ihre Unterstützer Synagogen und jüdische Geschäfte; mehrere tausend jüdische Männer wurden für einige Wochen in Konzentrationslager verschleppt. Die Mehrheit der Berliner – und so auch der Schöneberger – Juden wählte die Auswanderung. Dies war nach 1940 kaum mehr möglich. Im Herbst 1941 begannen die Nationalsozialisten die systematische Deportation der deutschen Juden. Fast alle noch verbliebenen 6.000 Schöneberger Juden wurden in Ghettos und Vernichtungslager im Osten verschleppt.
Bild:Berlin-Schöneberg, 1908, Viktoria-Luise-Platz, gemeinfrei
Berlin-Schöneberg, 1908, Viktoria-Luise-Platz, gemeinfrei

Bild:Berlin-Schöneberg, 2015, Blick in die Ausstellung, Thilo Rückeis
Berlin-Schöneberg, 2015, Blick in die Ausstellung, Thilo Rückeis
Während des Nationalsozialismus wurden die meisten jüdischen Einwohner Schönebergs zur Auswanderung gezwungen. Etwa 6.000 von ihnen wurden in den Osten deportiert.
Im Bezirk Tempelhof lebten vor 1933 etwa 2.300 jüdische Bürger (2,03% der Gesamtbevölkerung), von ihnen wurden 230 deportiert.
Bild:Berlin-Schöneberg, 2015, Biographisches Album, Thilo Rückeis
Berlin-Schöneberg, 2015, Biographisches Album, Thilo Rückeis

Bild:Berlin-Schöneberg, 2015, Handgeschriebene Karteikarten mit den Namen Deportierter, Thilo Rückeis
Berlin-Schöneberg, 2015, Handgeschriebene Karteikarten mit den Namen Deportierter, Thilo Rückeis
Schönebergs einst wichtigste Synagoge befand sich in der Münchener Straße. Während des Novemberterrors 1938 wurde sie geplündert, aber nicht zerstört, im Zweiten Weltkrieg wurde sie jedoch so schwer beschädigt, dass sie 1956 abgerissen wurde. 1963 wurde an der Stelle ein Denkmal aufgestellt.
In den 1980er Jahren begannen viele Bürger, sich für die Geschichte ihrer Nachbarschaft im Nationalsozialismus zu interessieren. Es entstanden zahlreiche Ausstellungen und Publikationen zu lokalhistorischen Themen, so auch in Schöneberg. 1995 gab es eine Schöneberger Ausstellung »Formen des Erinnerns«, die auf Aufzeichnungen von Treffen mit Zeitzeugen beruhte.
2005 wurde im großen Saal des Rathauses Schöneberg die Ausstellung »Wir waren Nachbarn« eröffnet. Sie bestand ursprünglich aus 92 Alben, die das Leben ehemaliger Schöneberger Juden aufgrund ihrer eigenen Erzählungen nachzeichneten. Die Ausstellung war bis 2009 jedes Jahr jeweils drei Monate lang zu sehen. 2009 musste die Ausstellung wegen Schäden am Bau für einige Jahre in einen kleineren Raum umziehen. Die Materialien wurden nach und nach erweitert und um Hörstationen ergänzt. Da Tempelhof und Schöneberg inzwischen einen gemeinsamen Bezirk bilden, wurden auch Biographien aus Tempelhof aufgenommen. Im Januar 2015 konnte die Ausstellung, die an einen großen Lesesaal erinnert, an ihrem ursprünglichen Ort im Rathaus Schöneberg mit 152 biographischen Alben wieder eröffnet werden. Darunter befinden sich auch Biographien von prominenten Persönlichkeiten wie Kurt Tucholsky, Else Lasker-Schüler oder Helmut Newton. An den Wänden sind 6.000 handgeschriebene Karteikarten mit den Namen, Adressen und Lebensdaten der Deportierten angebracht. Für die Ausstellung zeichnet der Verein »frag doch! Verein für Begegnung und Erinnerung e.V.« verantwortlich.
Bild:Berlin-Schöneberg, 2015, Eines von 152 biographischen Alben, Thilo Rückeis
Berlin-Schöneberg, 2015, Eines von 152 biographischen Alben, Thilo Rückeis

Bild:Berlin-Schöneberg, 2015, Im Ausstellungssaal des Schöneberger Rathauses, Thilo Rückeis
Berlin-Schöneberg, 2015, Im Ausstellungssaal des Schöneberger Rathauses, Thilo Rückeis
Name
Ausstellung »Wir waren Nachbarn«
Adresse
Rathaus Schöneberg, John-F.-Kennedy-Platz 1
10825 Berlin
Telefon
+49 (0)30 902 774 527
Web
http://www.wirwarennachbarn.de
E-Mail
projekt@wirwarennachbarn.de
Öffnungszeiten
Montag bis Donnerstag. Samstag und Sonntag 10.00 bis 18.00
(für Gruppen und Schulklassen nach Anmeldung auch freitags)
Angebot
Deutsche und englische Führungen für Schüler, Jugendliche und Erwachsene, inhaltliche Schwerpunkte nach Absprache; Workshops für SEK I und SEK II zu verschiedenen Themen