• Erinnerung an die ermordeten Juden von Lypowez
In der ukrainischen Kleinstadt Lypowez erinnern mehrere Denkmäler an die dort ermordeten Juden.
Bild:Lypowez, um 1900, Straßenszene auf einer Postkarte, gemeinfrei
Lypowez, um 1900, Straßenszene auf einer Postkarte, gemeinfrei

Bild:Lypowez, 2019, Alte und neue Elemente der Denkmalanlage, Stiftung Denkmal, Anna Voitenko
Lypowez, 2019, Alte und neue Elemente der Denkmalanlage, Stiftung Denkmal, Anna Voitenko
Lypowez ist eine im Mittelalter gegründete Kleinstadt, am Fluss Sob 35 Kilometer östlich von Winnyzja gelegen. Nach den Teilungen Polens gehörte Lypowez zum Russischen Zarenreich. Ende des 19. Jahrhunderts waren fast die Hälfte der etwa 8.500 Einwohner der Stadt Juden.
1919 und 1920 gab es mindestens zweimal antijüdische Ausschreitungen in Lypowez. Danach führte die sowjetische Politik der Kollektivierung und der Unterdrückung der Religionen dazu, dass viele Juden in Großstädte zogen. Wurden 1926 wurden noch 3.605 Juden in Lypowez gezählt, was 42 Prozent der Gesamtbevölkerung von 8.638 entsprach, lebten 1941 wahrscheinlich nur noch etwa 1.200 Juden in der Stadt.
Die deutsche Wehrmacht besetzte Lypowez am 13. Juli 1941. Es gelang nur wenigen Juden, vor der Ankunft der deutschen Truppen zu fliehen. Die Deutschen ließen eine lokale ukrainische Polizeieinheit aufstellen, die ihnen unter anderem bei der Durchsetzung antijüdischer Maßnahmen zur Hand ging. Am 12. September erschossen deutsche Einheiten – vermutlich Angehörige des Einsatzkommando 6 der Einsatzgruppe C – mindestens 200 junge jüdische Männer und Frauen aus Lypowez in der Nähe des Dorfes Bereziwka.
Im Herbst 1941 wurde in Lypowez ein Ghetto eingerichtet, in das alle Juden umziehen mussten. Die Lebensbedingungen waren so katastrophal, dass viele Einwohner des Ghettos an Hunger, Krankheiten und Erschöpfung starben.
Im April oder Mai 1942 ermordeten deutsche Einheiten, unterstützt durch lokale Polizisten, fast alle Einwohner des Ghettos auf einem Feld in der Nähe des Dorfes Vikentiivka. Zuvor mussten Arbeiter eines landwirtschaftlichen Betriebs eine große Grube ausheben. Die Opfer mussten sich ausziehen und in die Grube legen, anschließend wurden sie mit Maschinenpistolen erschossen. Die Mordaktion zog sich tagelang hin. Danach blieben nur noch etwa 50 spezialisierte jüdische Arbeiter im Ghetto, die vermutlich im Herbst ermordet wurden. Später wurden immer wieder Juden von außerhalb in Lypowez erschossen.
Bild:Lypowez, um 1900, Straßenszene auf einer Postkarte, gemeinfrei
Lypowez, um 1900, Straßenszene auf einer Postkarte, gemeinfrei

Bild:Lypowez, 2019, Alte und neue Elemente der Denkmalanlage, Stiftung Denkmal, Anna Voitenko
Lypowez, 2019, Alte und neue Elemente der Denkmalanlage, Stiftung Denkmal, Anna Voitenko
Bei der ersten Mordaktion ermordeten Angehörige deutscher Einheiten mindestens 200 Juden, vor allem junge Männer und einige junge Frauen. Der großen Massenerschießung vom Frühjahr 1942 fielen etwa 750-800 jüdische Kinder, Frauen und Männer aus dem Ghetto zu Opfer. Später wurden immer wieder kleinere und größere Gruppen von Juden, insgesamt mehrere hundert Personen, nach Lypowez gebracht und dort ermordet.
Bild:Lypowez, 2019, Denkmal und Informationsstele beim Massengrab, Stiftung Denkmal, Anna Voitenko
Lypowez, 2019, Denkmal und Informationsstele beim Massengrab, Stiftung Denkmal, Anna Voitenko

Bild:Lypowez, 2019, Einweihungsfeier des Denkmals, Stiftung Denkmal, Anna Voitenko
Lypowez, 2019, Einweihungsfeier des Denkmals, Stiftung Denkmal, Anna Voitenko
Die Rote Armee befreite Lypowez endgültig am 13. März 1944. Nur einzelnen Juden gelang es, bis dahin im Versteck zu überleben. Nach der Befreiung ermittelte eine sowjetische Untersuchungskommission vor Ort. Mehrere lokale Kollaborateure wurden verhaftet, die Verbrechen selbst wurden jedoch nur lückenhaft dokumentiert. In der Bundesrepublik wurde gegen einige Täter ermittelt, bei den Prozessen der 1960er und 1970er Jahre wurde jedoch kaum jemand wegen Verbrechen aus dem Winnyzja-Gebiet verurteilt.
In den ersten Nachkriegsjahren sorgte der Überlebende Leonti Usharenko dafür, dass bei den Massengräbern auf dem Feld beim Dorf Vikentiivka Denkmäler entstanden. Bei zwei Massengräbern wurden Erdhügel errichtet und Obelisken aufgestellt. Ihre Inschrift erinnerte an »sowjetische Bürger«, die dort Stelle ermordet worden seien. Wie in der Sowjetunion damals üblich, wurde die jüdische Identität der Opfer nicht erwähnt. In den 2010er Jahren wurden diese Obelisken durch die Initiative eines lokalen Unternehmers um Gedenktafel ergänzt, die mit Davidsternen auf die jüdische Herkunft der Opfer hinwiesen. Bemerkenswert ist, dass die Denkmäler die Jahrzehnte bis zum Ende der Sowjetunion unbeschadet überstanden haben, obwohl sie sich auf einem landwirtschaftlich genutzten Feld befanden. An vielen anderen Orten wurden solche Denkmäler eingeebnet.
2016 und 2017 führte ein Team im Rahmen des Projekts »Erinnerung bewahren«, das bei der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin angesiedelt ist, nicht-invasive archäologische Untersuchungen auf dem Feld durch. Dadurch konnte die genaue Lage der Massengräber festgestellt werden. 2019 wurden schließlich im Rahmen von »Erinnerung bewahren« die alten Denkmäler in Stand gesetzt, sowie durch neue Elemente und Informationsstelen ergänzt.
Bild:Lypowez, 2017, Archäologische Untersuchungen und Obelisk aus den Nachkriegsjahren, Stiftung Denkmal, Anna Voitenko
Lypowez, 2017, Archäologische Untersuchungen und Obelisk aus den Nachkriegsjahren, Stiftung Denkmal, Anna Voitenko

Bild:Lypowez, 2019, Zweites Massengrab auf dem Feld, Stiftung Denkmal, Anna Voitenko
Lypowez, 2019, Zweites Massengrab auf dem Feld, Stiftung Denkmal, Anna Voitenko
Name
Меморіали жертвам Голокосту у полі біля с. Вікентіївкa
Web
https://www.erinnerungbewahren.de/lypowez/
E-Mail
info@erinnerung-bewahren.de