• Denkzeichen in Berlin-Buch für die Opfer der Zwangssterilisation und »Euthanasie«–Morde
Die Heil- und Pflegeanstalt Buch war der zentrale Ort der nationalsozialistischen »Euthanasie«-Verbrechen im Berliner Raum. Seit November 2013 erinnert dort ein Denkmal an das Schicksal der Opfer.
Bild:Berlin-Buch, 1908, Gebäude der Heilanstalt, Landesarchiv Berlin
Berlin-Buch, 1908, Gebäude der Heilanstalt, Landesarchiv Berlin

Bild:Berlin-Buch, 2013, Denkzeichen für die Opfer der »Euthanasie«-Verbrechen, Galerie Pankow, Gerhard Zwickert
Berlin-Buch, 2013, Denkzeichen für die Opfer der »Euthanasie«-Verbrechen, Galerie Pankow, Gerhard Zwickert
Die Ermordung zehntausender Patienten und Heimbewohner war das erste systematische Massenverbrechen des nationalsozialistischen Regimes. Das »Euthanasie«-Programm wurde von einer Unterabteilung der »Kanzlei des Führers« mit etwa 100 Mitarbeitern entwickelt. Diese »Zentraldienststelle T4«, benannt nach der Adresse Tiergartenstraße 4, organisierte zunächst die Tötung von psychisch Kranken oder behinderten Menschen durch Kohlenmonoxid. Bis zur formellen Einstellung der Gasmorde im August 1941 töteten SS-Ärzte über 70.000 Menschen in sechs eigens dafür eingerichteten Anstalten auf dem Gebiet des Deutschen Reichs. Zwischen August 1941 und 1945 wurde der Mord dezentral fortgesetzt und weitere 90.000 Menschen umgebracht.
Auf dem Gelände der Heil- und Pflegeanstalt Buch bestand seit Anfang des 20. Jahrhunderts die »III. Berliner Irrenanstalt«, deren moderne Behandlungsmethoden als vorbildlich galten. Mit dem Machtantritt der Nationalsozialisten verschlechterten sich die Lebensbedingungen der psychisch kranken oder geistig behinderten Patienten jedoch beständig. Infolge des 1933 erlassenen »Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses« wurden fast 800 Bucher Patienten zwangssterilisiert.
Während der »Aktion T4« wurde die Heil- und Pflegeanstalt aufgelöst und die mehr als 2.800 Patienten verlegt. Die meisten Patienten sind in den Gaskammern der »Euthanasie«-Tötungsanstalten Brandenburg an der Havel und Bernburg ermordet worden. Bis zum Kriegsende 1945 wurden aber auch viele Patienten Opfer der sogenannten dezentralen Euthanasie durch gezielte Medikamentenüberdosierung, Nahrungsentzug und Mangelversorgung.
Die Heil- und Pflegeanstalt Buch war im Juli 1940 auch die erste Sammelanstalt einer »Sonderaktion« gegen jüdische Psychiatrie-Patienten aus Berlin und Brandenburg, die allein aufgrund ihrer Abstammung in großen Transporten nach Brandenburg an der Havel verschleppt und dort ermordet wurden.
Bild:Berlin-Buch, 1908, Gebäude der Heilanstalt, Landesarchiv Berlin
Berlin-Buch, 1908, Gebäude der Heilanstalt, Landesarchiv Berlin

Bild:Berlin-Buch, 2013, Denkzeichen für die Opfer der »Euthanasie«-Verbrechen, Galerie Pankow, Gerhard Zwickert
Berlin-Buch, 2013, Denkzeichen für die Opfer der »Euthanasie«-Verbrechen, Galerie Pankow, Gerhard Zwickert
Nach 1933 wurden fast 800 Patienten der Heil- und Pflegeanstalt Buch zwangssterilisiert. Während der »Aktion T4« wurden etwa 2.800 Patienten der Anstalt in die Tötungsanstalten Brandenburg an der Havel und Bernburg verlegt, wo sie mit Kohlenmonoxid ermordet wurden. Bis zum Kriegsende wurden weitere Patienten in Buch ermordet, ihre genaue Zahl ist unbekannt.
Die geschätzte Gesamtzahl der Opfer der nationalsozialistischen Krankenmorde in Deutschland und den von der deutschen Wehrmacht besetzten Gebieten Europas liegt bei 300.000.
Bild:Berlin-Buch, 2013, Denkzeichen und Klinikgebäude, Galerie Pankow, Gerhard Zwickert
Berlin-Buch, 2013, Denkzeichen und Klinikgebäude, Galerie Pankow, Gerhard Zwickert

Bild:Berlin-Buch, 2013, Namen an der Oberfläche des Denkmals, Galerie Pankow, Gerhard Zwickert
Berlin-Buch, 2013, Namen an der Oberfläche des Denkmals, Galerie Pankow, Gerhard Zwickert
Sowohl in der Bundesrepublik als auch in der DDR wurden die »Euthanasie«-Morde lange verschwiegen, auch die Zwangssterilisierten blieben Jahrzehnte lange von Entschädigungszahlungen praktisch ausgeschlossen. Erst seit den 1980er Jahren entstanden in den früheren Tötungsanstalten und anderen Tatorten erste Gedenkstätten und Erinnerungszeichen.
Auf dem Gelände der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt Berlin-Buch, wo sich heute ein privates Klinikum befindet, erinnerte lange Zeit nichts an die nationalsozialistischen Verbrechen; es dauerte bis November 2013, bis ein Denkzeichen dort eingeweiht werden konnte. Es steht auf einer Rasenfläche und hat die Form eines überdimensionierten weißen Kopfkissens, an dessen Oberfläche Vornamen angebracht sind. Der Entwurf stammt von der in Argentinien geborenen Berliner Künstlerin Patricia Pisani. Etwas weiter entfernt erläutert eine Informationstafel die historischen Hintergründe. Die Initiative für die Errichtung des Denkzeichens übernahmen 2009 der Bezirk Pankow und die Stadt Berlin, bei der Verwirklichung wirkte auch die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas mit.
Bild:Berlin-Buch, 2013, Ansicht des Denkzeichens, Galerie Pankow, Gerhard Zwickert
Berlin-Buch, 2013, Ansicht des Denkzeichens, Galerie Pankow, Gerhard Zwickert

Bild:Berlin-Buch, 2013, Informationstafel, Galerie Pankow, Gerhard Zwickert
Berlin-Buch, 2013, Informationstafel, Galerie Pankow, Gerhard Zwickert
Name
Denkzeichen in Berlin-Buch für die Opfer der nationalsozialistischen Zwangssterilisation und »Euthanasie«–Morde
Adresse
Schwanebecker Chaussee 50
13125 Berlin
Telefon
+49(0)30 902 95-0
Fax
+49(0)30 902 95-2244
Web
http://www.berlin.de/ba-pankow/
E-Mail
pressestelle@ba-pankow.berlin.de
Öffnungszeiten
Das Denkzeichen ist jederzeit zugänglich.