• Alter Jüdischer Friedhof Memel
In der Hafenstadt Memel (litauisch: Klaipėda) erinnert auf dem alten jüdischen Friedhof aus preußisch-deutscher Zeit eine Gedenkwand mit Grabsteinen an die Auslöschung der Gemeinde im Nationalsozialismus und an die Zerstörung der Anlage durch die Sowjets nach 1945.
Bild:Memel, o.D., Die nicht mehr vorhandene Trauerhalle auf dem Jüdischen Friedhof mit der hebräischen Inschrift »Bet Olam« (Haus der Ewigkeit), Mažosios Lietuvos Istorijos Muziejus
Memel, o.D., Die nicht mehr vorhandene Trauerhalle auf dem Jüdischen Friedhof mit der hebräischen Inschrift »Bet Olam« (Haus der Ewigkeit), Mažosios Lietuvos Istorijos Muziejus

Bild:Memel, 2001, Eingang zum früheren jüdischen Friedhof, Stiftung Denkmal
Memel, 2001, Eingang zum früheren jüdischen Friedhof, Stiftung Denkmal
Die 1252 gegründete Stadt Memel war die älteste Stadt im späteren Ostpreußen und die nördlichste Stadt des Deutschen Reiches. Jüdisches Leben entwickelte sich vor allem ab dem beginnenden 19. Jahrhundert, auch durch Zuwanderung aus dem benachbarten Russischen Reich. 1910 hatte die Gemeinde 900 Mitglieder. Mit dem Inkrafttreten des Versailler Vertrages im Januar 1920 wurden Memel und der umliegende Landkreis als Memelgebiet (litauisch: Klaipėdos kraštas) vom Deutschen Reich abgetrennt, französisch verwaltet und – unter Vortäuschung eines Aufstandes durch litauische Nationalisten – am 10. Januar 1923 von Truppen aus Litauen besetzt. Nach der international anerkannten Angliederung an die Republik stieg die Zahl der Juden durch Einwanderer aus dem übrigen Litauen auf 4.000 an. Anfang der 1930er Jahre gab es mehrere Synagogen, ein jüdisches Krankenhaus und eine jüdische Schule in Memel; ein Viertel der Geschäfte und Betriebe war in jüdischer Hand. Die Synagogengemeinde Memel unterhielt einen Friedhof mit einer Trauerhalle in der Wallstraße. Als Folge des Aufstiegs der Nationalsozialisten in Deutschland erstarkte die deutschnationale Bewegung auch im Memelland. Nach massivem Druck aus Berlin sah sich die litauische Regierung gezwungen, das Memelland am 22. März 1939 an das Reich zurückzugeben. Viele Juden verließen daraufhin panikartig das Gebiet, meist in Richtung Litauen. Jüdisches Eigentum in Memel wurde verwüstet, der Friedhof der »Deutschen Allgemeinen Treuhand GmbH« übertragen.
Im Oktober 1944 evakuierten die Behörden die Zivilbevölkerung vor der herannahenden Roten Armee, die Wehrmacht gab die Stadt Anfang 1945 auf. Nach dem Einmarsch der Sowjets am 19. Januar 1945 wurde das Memelland in die Litauische Sowjetrepublik eingegliedert und die fast menschenleere, stark zerstörte Hafenstadt neu besiedelt. Die neuen Machthaber zerstörten deutsche Friedhöfe im Gebiet; den Memeler jüdischen Friedhof ebneten sie ein und errichteten Masten für eine Rundfunkstörstation.
Bild:Memel, o.D., Die nicht mehr vorhandene Trauerhalle auf dem Jüdischen Friedhof mit der hebräischen Inschrift »Bet Olam« (Haus der Ewigkeit), Mažosios Lietuvos Istorijos Muziejus
Memel, o.D., Die nicht mehr vorhandene Trauerhalle auf dem Jüdischen Friedhof mit der hebräischen Inschrift »Bet Olam« (Haus der Ewigkeit), Mažosios Lietuvos Istorijos Muziejus

Bild:Memel, 2001, Eingang zum früheren jüdischen Friedhof, Stiftung Denkmal
Memel, 2001, Eingang zum früheren jüdischen Friedhof, Stiftung Denkmal
Die Gedenkwand und die geschaffene Parkanlage auf dem alten jüdischen Friedhof in Memel erinnern an die vertriebenen, verschollenen und ermordeten Juden der deutsch-jüdischen Gemeinde zu Memel und an die Auslöschung der jüdischen Gemeinden in Litauen im Nationalsozialismus, aber auch an die Zerstörung der Gräber und der Gebäude durch die Sowjets nach Kriegsende.
Eine der fotografischen Ikonen des Holocaust stammt aus Memel: Sie zeigt den Druckereibesitzer Aron Puhn mit seiner Frau Ella und seinen Töchtern Civa und Aviva auf der Flucht aus Memel, wahrscheinlich am 23. März 1939. Im Hintergrund stehen grinsende SA-Männer. Familie Puhn gelangte in die litauische Stadt Schaulen (litauisch: Šiauliai) und kam später dort um.
Bild:Memel, 1939, Die Familie des Druckereibesitzers Aron Puhn bei der Flucht aus Memel, b p k
Memel, 1939, Die Familie des Druckereibesitzers Aron Puhn bei der Flucht aus Memel, b p k

Bild:Memel, 1934, Der jüdische Oberingenieur Alfred Wittenberg (1877 Memel – 1940 KZ Sachsenhausen) mit Familienangehörigen vor der Silhouette der Stadt, Ostpreußisches Landesmuseum Lüneburg
Memel, 1934, Der jüdische Oberingenieur Alfred Wittenberg (1877 Memel – 1940 KZ Sachsenhausen) mit Familienangehörigen vor der Silhouette der Stadt, Ostpreußisches Landesmuseum Lüneburg
Memel ist heute die drittgrößte Stadt Litauens. Im Mai 1989, noch zu Sowjetzeiten, gründete sich auf Initiative von Jakob Rikler ein kleiner, meist russischsprachiger jüdischer Kulturverein. Nach der Wiedererlangung der staatlichen Unabhängigkeit Litauens erhielt dieser den Friedhof aus deutscher Zeit übertragen und gestaltete ihn zu einem Park um. Im Verwaltungsgebäude der früheren Radiostörstation – am Standort der früheren Trauerhalle – richtete der Verein sein Gemeindezentrum ein, das er auch für Gebete und andere religiöse Handlungen nutzt. Es finden jährliche Gedenkfeiern statt.
Die Gedenkwand aus den 1990er Jahren besteht aus eingelassenen deutschen Grabsteinen, deren Inschriften erkennbar sind. Auch der Sockel eines der Sendemaste mit einbetonierten Grabplatten ist erhalten. Am Gelände wurde in Erinnerung an Litauer, die im Holocaust Juden retteten, eine »Allee der Gerechten unter den Völkern« angelegt. Am Eingang der umzäunten Anlage gibt es eine Tafel mit der litauisch-hebräisch-englischen Inschrift: »Bis 1939 stand auf diesem Gelände ein jüdischer Friedhof.«
Bild:Memel, 2009, Das Haus der Jüdischen Gemeinschaft. Es steht am selben Platz auf dem Friedhof wie die frühere Trauerhalle, Peter Bork
Memel, 2009, Das Haus der Jüdischen Gemeinschaft. Es steht am selben Platz auf dem Friedhof wie die frühere Trauerhalle, Peter Bork

Bild:Memel, 2001, Jakob Rikler, Gründer der Gemeinde 1989 und Initiator der Wiederbelebung des Gemeindewesens vor der Gedenkwand, Stiftung Denkmal
Memel, 2001, Jakob Rikler, Gründer der Gemeinde 1989 und Initiator der Wiederbelebung des Gemeindewesens vor der Gedenkwand, Stiftung Denkmal
Bild:Memel, 2011, Eingangstor des Friedhofs, Stiftung Denkmal
Memel, 2011, Eingangstor des Friedhofs, Stiftung Denkmal
Bild:Memel, 2011, Gedenkwand mit Grabsteinen, Stiftung Denkmal
Memel, 2011, Gedenkwand mit Grabsteinen, Stiftung Denkmal
Bild:Memel, 2011, Grabstein an der Gedenkwand, Stiftung Denkmal
Memel, 2011, Grabstein an der Gedenkwand, Stiftung Denkmal
Bild:Memel, 2011, »Allee der Gerechten unter den Völkern«, Stiftung Denkmal
Memel, 2011, »Allee der Gerechten unter den Völkern«, Stiftung Denkmal
Bild:Memel, 2011, Sockel eines Sendemasts aus sowjetischer Zeit, Stiftung Denkmal
Memel, 2011, Sockel eines Sendemasts aus sowjetischer Zeit, Stiftung Denkmal
Bild:Memel, 2011, Ansicht des Friedhofgeländes, Stiftung Denkmal
Memel, 2011, Ansicht des Friedhofgeländes, Stiftung Denkmal
Name
Klaipėdos Senosios žydų kapinės
Adresse
Žiedų skersgatvis 3
91227 Klaipėda
Telefon
+37 (0)46 493 758
Fax
+37 (0)46 493 758
E-Mail
lavana@takas.lt
Öffnungszeiten
Der Friedhof ist jederzeit zugänglich.