• Andernacher Spiegelcontainer
In Andernach, einer Kleinstadt in der Nähe von Koblenz, unterhielten die Nationalsozialisten im Rahmen der »T4«-Aktion eine sogenannte Zwischenanstalt. Psychisch Kranke und geistig Behinderte wurden hier ab 1941 gesammelt und in die »T4«-Anstalt Hadamar gebracht. Seit 1996 erinnert der Andernacher Spiegelcontainer an die Opfer der »Euthanasie«.
Bild:Andernach, 1996, Innenansicht des Andernacher Spiegelcontainers, Paul Petzel
Andernach, 1996, Innenansicht des Andernacher Spiegelcontainers, Paul Petzel
Der Begriff »Euthanasie« bezeichnete in der Zeit des Nationalsozialismus die Ermordung von Menschen mit geistigen und körperlichen Behinderungen. Geplant und organisiert wurde der Mord an den Patienten von Heil- und Pflegeanstalten von der unmittelbar Adolf Hitler unterstellten Organisation »T4«. Auf Befehl eines Runderlasses des Reichsministers des Innern vom 30. August 1940 sollten alle zur »Euthanasie« bestimmten Patienten an verschiedenen Orten im Deutschen Reich konzentriert werden. Zu diesem Zweck wurden sogenannte Zwischenanstalten eingerichtet. Für die damalige Region Rheinprovinz wurde die Provinzial- Heil- und Pflegeanstalt Andernach einer solchen Bestimmung zugeführt. Von hier aus sollten Sammeltransporte mit psychisch Kranken und körperlich Behinderten in die »T4«-Anstalt nach Hadamar abfahren. Um in Andernach Platz für neu ankommende Patienten zu schaffen, führte im März 1941 eine Ärztekommission eine Selektion unter den bisherigen Anstaltsbewohnern durch. Kurz darauf wurden 416 von ihnen in fünf Transporten in die »T4«-Anstalt Hadamar gebracht und dort in einer als Duschraum getarnten Gaskammer erstickt. In der Folge kamen zwischen dem Mai und Juli 1941 etwa 520 Personen aus anderen Anstalten in die Heil- und Pflegeanstalt Andernach. Sie wurden ab Juni in mehreren Transporten nach Hadamar gebracht. Auch nach der offiziellen Einstellung der »T4«-Aktion im August 1941 setzten Ärzte und Pflegekräfte in der Andernacher Anstalt die Tötungen fort. Die Morde erfolgten durch Giftspritzen sowie durch Nahrungsentzug und Überdosierung von Medikamenten. Ab 1943 gingen von Andernach sogenannte Ost-Verlegungen ab. In insgesamt 18 Transporten wurden bis 1944 etwa 600 Patienten in weiter östlich gelegene Heil- und Pflegeanstalten überführt. So hatten die Transporte zum Beispiel Anstalten in Tworki bei Warschau, Lüben in Schlesien und Meseritz-Obrawalde zum Ziel. Aufgrund der dort herrschenden katastrophalen Verhältnisse und der anhaltenden Morde überlebte kaum einer der Deportierten.
Bild:Andernach, 1996, Innenansicht des Andernacher Spiegelcontainers, Paul Petzel
Andernach, 1996, Innenansicht des Andernacher Spiegelcontainers, Paul Petzel
Es wird vermutet, dass von 1941 bis 1944 mehr als 1.560 psychisch Kranke und geistig Behinderte über die Zwischenanstalt Andernach in die »T4«-anstalt Hadamar und ab 1943 in weiter östlich gelegene Anstalten zur Tötung überführt wurden. Einige der Patienten wurden von Ärzten und Pflegekräften bereits in der Andernacher Anstalt getötet. Bekannt ist, dass sich 58 Juden unter den zur »Euthanasie« überführten Patienten der Zwischenanstalt Andernach befanden.
Bild:Andernach, 1996, Spiegelung des Betrachters in den Namen der Opfer, Paul Petzel
Andernach, 1996, Spiegelung des Betrachters in den Namen der Opfer, Paul Petzel

Bild:Andernach, 2006, Gedenkfeier am Denkmal, Landeskrankenhaus Rheinland-Pfalz
Andernach, 2006, Gedenkfeier am Denkmal, Landeskrankenhaus Rheinland-Pfalz
Die Initiative und der Entwurf für den Andernacher Spiegelcontainer gingen aus einer Projektgruppe des Andernacher Bertha-von-Suttner-Gymnasiums hervor. Das Denkmalprojekt konnte, von lebhaften Diskussionen begleitet, mit Hilfe von engagierten Bürgern verwirklicht werden. Es wurde am 27. Mai 1996 eingeweiht und befindet sich auf dem Gelände der evangelischen Christuskirche im Stadtzentrum. Die Form des Denkmals ist den »T4«-Transportfahrzeugen und -Gaskammern nachempfunden. In dem mit Spiegeln verkleideten Innenraum sind alle ermittelten Namen von Opfern eingraviert. Zwischen den Namen stehen 400 Punkte für weitere Opfer, deren Identität bisher nicht ermittelt werden konnte.
Bild:Andernach, 1996, Außenansicht des Spiegelcontainers, Paul Petzel
Andernach, 1996, Außenansicht des Spiegelcontainers, Paul Petzel

Bild:Andernach, 1996, Blick durch die Glasstreifen in den Container, Paul Petzel
Andernach, 1996, Blick durch die Glasstreifen in den Container, Paul Petzel
Name
Andernacher Spiegelcontainer
Adresse
Ecke Obere Wallstraße / Hochstraße
56626 Andernach
E-Mail
petzelpaul@aol.com
Öffnungszeiten
Jederzeit zugänglich